Streuobstgeschichte(n)

Streuobst- geschichte(n)

Seit wann gibt es die klassische Streuobstwiese?

Schon in der Jungsteinzeit …
… wurde Wildobst zur Aufwertung des Speiseplans genutzt, doch das Wissen über den Anbau und das Veredeln von Kulturobstsorten entwickelte sich erst viel später im Orient. Von dort verbreitete es sich nach Südeuropa und gelangte schließlich in den Jahren um Christi Geburt mit den Römern in unsere Breiten. Zunächst fanden sich Obstbäume nur in den Gärten reicher Villen, sie waren wertvoll und wurden hoch geschätzt, Obstdiebstahl und Baumfrevel war mit strengen Strafen belegt. Vor allem in den mittelalterlichen Klöstern wurde das Wissen über den Obstanbau erhalten und weiterentwickelt. Im 15. Jahrhundert wurden oft ganze Obstgürtel um die Städte herum angelegt, die sich dann als „Gartenstädte“ rühmen konnten.
Bis in das 19. Jahrhundert …
… wurde Obst dann vorwiegend zur Selbstversorgung angebaut. Ein Großteil der damaligen Bauern hatte nur wenig Anbaufläche zur Verfügung. Für sie war es daher wichtig, möglichst wenig davon an die Obstbäume zu verlieren, deshalb wurden diese locker verteilt auf Wiesen oder entlang von Wegen gepflanzt. Die Beweidung oder Heumahd des Unterwuchses war damit gewährleistet, auch sogenannte Streuobstäcker mit Gemüse oder Beerenobst als Unternutzung waren verbreitet.
Zeitgleich schaffte die Industrialisierung …
… erstmals einen Markt für das Obst, weil die Transportwege verkürzt wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Obstanbau im großen Maßstab rentabel, erforderte jedoch effiziente Anbaumethoden mit Niederstammkulturen im Plantagenbau und wenigen Sorten. Der Rückgang des Streuobstanbaus war eingeläutet: Ab 1953 gab es eine staatliche Rodungprämie für Obstbäume, 60 – 80 % der Streuobstflächen wurden in den folgenden Jahrzehnten vernichtet.
Streuobstwiesen erfordern …
… einen deutlich höheren Arbeitsaufwand für Ernte und Pflege und werden daher oft aufgegeben, als reines Grünland genutzt oder aufgeforstet. Auch der Flurbereinigung in den 70er Jahren fielen Streuobstwiesen zum Opfer, im Siedlungsbereich mussten sie häufig Wohn- und Gewerbegebieten sowie dem Straßenbau weichen.
Seit ein paar Jahren …
… setzt jedoch allmählich ein Umdenken ein, weil der hohe ökologische und landschaftliche Wert von Streuobstwiesen immer mehr erkannt wird. Das erfolgreiche Volksbegehren zur Rettung der Artenvielfalt 2019 in Bayern und die damit verbundene Änderung des Bayerischen Naturschutzgesetzes hat Streuobstwiesen zum schützenswerten Gut gemacht. Über verschiedenste Fördermittel soll deren Erhalt und Verjüngung sichergestellt werden, denn Streuobstwiesenschutz ist aktiver Artenschutz. Aktuell wächst auch das Verbraucherinteresse an Streuobst mit dem Trend zu regionalen Lebensmitteln.

UNESCO-Kulturerbe

Streuobst ist lebendiges Zeugnis ländlicher Bewirtschaftungs- und Lebensformen. Seit März 2021 gilt der Streuobstanbau als immaterielles UNESCO-Kulturerbe im Bereich traditionelle Handwerkstechniken. Zudem ist der extensive Obstanbau ein Paradebeispiel für funktionierende, regionale Wertschöpfungsketten. Aus Naturschutzsicht wertvoll ist der Lebensraum Streuobst durch seine außerordentlich hohe Tier- und Pflanzenvielfalt, die Folge des Strukturreichtums und der extensiven Pflege ist.